Gezielte Diagnostik rettet Leben

von Gudrun Heyn, Berlin
Bei Mehrlingen treten Komplikationen während der Schwangerschaft viel häufiger auf, als bei Feten, die sich im Uterus alleine entwickeln können. Sie werden zu früh geboren, haben eine hohe Mor-bidität und Mortalität. Doch nur bestimmte Mehrlinge leben besonders gefährlich. Rechtzeitig erkannt, können viele von ihnen gerettet werden.
Schon sehr früh in der Schwangerschaft werden die Weichen für Erkrankungen oder Komplikationen bei Mehrlingen gestellt. Dies hängt vor allem von der Form der Schwangerschaft ab, ob die Kinder ein- oder zweieiig sind und ob sie sich Fruchthülle und Mutterkuchen teilen müssen. Als innerste der beiden fetalen Eihäute umschließt das Amnion wie ein Sack Frucht und Fruchtwasser, während das Chorion als äußere fetale Eihaut mit der mütterlichen Eihaut die Plazenta (Mutterkuchen) bildet.
Etwa 70 Prozent aller Zwillinge sind zweieiig. Sie stammen aus zwei befruchteten Eizellen und gehen daher von Anfang an getrennte Wege, das heißt beide Kinder entwickeln eine eigenes Amnion und Chorion. Sie sind außer dem Platzmangel im Bauch nicht gefährdeter als andere Kinder. Bei eineiigen Zwillingen spielt dagegen der Zeitpunkt der Trennung eine wesentliche Rolle für das spätere Erkrankungsrisiko.
Eineiige Zwillinge entstehen durch die vollständige Teilung einer befruchteten Eizelle (Zygote). Findet diese Teilung innerhalb weniger Stunden nach der Befruchtung statt, wandern zwei Eizellen durch den Eileiter in die Gebärmutter. Dort können sie sich unabhängig voneinander ihren Platz suchen und einnisten. Jedes der beiden Kinder besitzt daher eine eigene Fruchthülle und einen eigenen Mutterkuchen. Dichorial-diamnial bezeichnen Mediziner diesen Zustand.
Erfolgt die Teilung zwischen dem vierten und siebten Tag nach der Befruchtung, hat sich die Zygote bereits zur Blastozyste weiterentwickelt und in der Gebärmutter festgesetzt. Es entsteht eine monochorial-diamniale Schwangerschaft, bei der sich die Kinder eine Plazenta teilen müssen. Sie haben jedoch ein eigenes Amnion, so dass zwischen ihnen zumindest eine Trennwand von zwei fetalen Eihäuten existiert.
Mit einer Inzidenz von weniger als 1 Prozent entstehen monozygote Zwillinge durch eine Teilung, die erst zwischen dem achten und zehnten Tag nach der Befruchtung stattfindet. Die Blastozyste hat sich bereits in die Gebärmutter eingenistet, eine Plazenta entwickelt und auch ein Amnion vollständig ausgebildet. Zwischen den Kindern einer monochorial-monoamnialen Zwillingsschwangerschaft gibt es daher keine trennenden Eihäute mehr.
Äußerst selten kommt es vor, dass sich die Blastozyste bei der Entstehung einer solchen Zwillingsschwangerschaft nicht vollständig trennt. Siamesische Zwillinge sind das Ergebnis. Zumeist findet dieser Teilungsversuch erst 13 bis 18 Tage nach der Befruchtung statt.
Erhöhte Mortalität
Bei jeder fünften Mehrlingsschwangerschaft müssen sich die Kinder eine Plazenta teilen. »Bei diesen Kindern steigt die perinatale Mortalität von 6 auf 50 Prozent«, sagte Dr. Ömer Kilavuz vom Vivantes Klinikum Neukölln auf dem 22. Deutschen Kongress für Perinatale Medizin in Berlin. Eine monochoriale Schwangerschaft ist allein schon deshalb bedeutend gefährlicher als eine dichorial-diamniale Schwangerschaft, weil sich die Kinder nicht nur den Mutterkuchen teilen müssen, sondern auch vielfach durch Blutgefäße über die Plazenta verbunden sind. Es treten Verbindungen zwischen Arterien, zwischen Venen und zwischen Arterien und Venen auf. Die Zwillinge tauschen dadurch miteinander Blut aus. Gefährlich wird dieser Zustand, wenn ein Ungleichgewicht in der Blutzufuhr zwischen den betroffenen Feten besteht, was Mediziner als fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS) bezeichnen. Bei etwa 30 Prozent der monochorialen Schwangerschaften ist dies der Fall.
Meist ist der blutspendende Mehrling unterernährt und kann von seinen Geschwistern regelrecht plattgedrückt werden (Fetus papyraceus). Wachstumsretardierung, Blutarmut und Mangel an Fruchtwasser durch eine zu geringe Urinausscheidung sind typisch für den so genannten Donor. Dagegen leidet der blutempfangende Mehrling auf Grund der großen Blutmengen, die er verarbeiten muss, häufig unter Flüssigkeitsansammlungen und Herzinsuffizienz. Oft ist der Akzeptor sehr groß und aufgedunsen. Überdies scheidet er große Mengen Urin aus. Der Uterus zeigt dann ein ungewöhnlich schnelles Wachstum, und die Schwangere leidet unter seiner Größe. Kommt es dabei zu einer Überdehnung, können vorzeitig Wehen einsetzen und die Fruchtblase platzen. Monochoriale Schwangerschaften mit FFTS haben unter anderem deshalb ein fünffach höheres Risiko für eine Frühgeburt.
Bei einer monochorial-monoamnialen Schwangerschaft sind neben dem FFTS auch noch weitere Gefahren zu befürchten. Zwischen den Kindern fehlen die trennenden Eihäute, so dass es hier leicht zu Nabelschnurumwicklungen kommen kann. Sie sorgen nicht nur für Komplikationen bei der Geburt, sie sind auch ein häufiger Grund für Wachstumsretardierungen und den Tod des Kindes im Mutterleib.
»Deutlich mehr Mehrlingskinder könnten überleben, wenn rechtzeitig und gezielt eine gute Diagnostik durchgeführt und entsprechend gehandelt werden würde«, sagte Kilavuz. Zwischen der sechsten und achten Schwangerschaftswoche sollte bereits mithilfe einer Ultraschalluntersuchung festgestellt werden, ob etwa eine monochoriale Mehrlingsschwangerschaft vorliegt. Wenn die Feten größer sind, ist es gegebenenfalls schwierig, diese Komplikation optisch zu diagnostizieren. Werden die Risikokinder jedoch rechtzeitig erkannt und ständig überwacht, kann im Notfall immer gezielt eingegriffen werden. So ist es etwa möglich, bei einem FFTS plazentare Gefäße mithilfe eines Lasers zu verschließen. Eine Fruchtwasserpunktion reduziert die Fruchtwassermenge des Akzeptors und kann somit das Risiko einer Frühgeburt verringern. Die Gabe von Digitalis in utero kann verhindern, dass der Akzeptor eine Herzinsuffizienz entwickelt.
Im Notfall entbinden
Reifere Feten, deren Leben in Gefahr ist, sollten entbunden werden. Oft stehen die Mediziner dabei vor einer schwierigen Entscheidung. Es gilt den optimalen Zeitpunkt zu finden, bei dem die Kinder draußen mehr profitieren als im Mutterleib. »In der Regel ist dies nicht so einfach«, sagte Professor Dr. Rolf Maier von Klinikum der Philipps-Universität Marburg. Je länger Feten im Mutterleib aufwachsen können, desto seltener sind Komplikationen, wie Hirnblutungen, Sepsis und Atemnotsyndrom. Außerdem leiden bis zu einem Drittel aller Frühchen, die vor der 24. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, unter einer schweren körperlichen und geistigen Behinderung.
Auch bei höhergradigen Mehrlingen ist der Zeitpunkt der Entbindung ganz entscheidend für den Gesundheitszustand und die Überlebenschance der Kinder. In den Niederlanden versuchen Mediziner daher auch dann die verbleibenden Mehrlinge im Mutterleib zu halten, wenn eines der Kinder zu früh geboren wird. Bei der Erstentbindung sind Antibiotika unverzichtbar. Damit die anderen Kinder nicht folgen, werden anschließend wehenhemmende Mittel, so genannte Tokolytika, eingesetzt. Bisher wandten Mediziner des Zentrums für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Zwolle diese Methode bei 41 Schwangeren erfolgreich an. Mehr als 100 Tage beträgt inzwischen die größte Differenz zwischen der ersten Geburt und dem Verbleib der weiteren Mehrlinge im Mutterleib.
Obwohl die Methode bei Drillingen in der Regel nicht so gut funktioniert wie bei Zwillingen, rechtfertigen die sehr viel bessere Überlebensrate und der Gesundheitszustand der zweitgeborenen Kinder den Einsatz der Mittel, lautete die erste Zwischenbilanz aus Holland.
In Deutschland werden Mehrlinge vorzugsweise ab der 32. oder 34. Schwangerschaftswoche auf die Welt geholt. Dann ist normalerweise die Lunge ausgereift, und Komplikationen treten nur noch selten auf. Kinder ab einem Gestationsalter über der 21. Schwangerschaftswoche können intensivmedizinisch betreut werden. Dabei hängt die Therapieentscheidung individuell vom Reifegrad des Kindes ab. Ab der 24. Schwangerschaftswoche sind therapeutische Maßnahmen die Regel und ab der 25. Woche ein Muss. Alle diese Kinder haben in Deutschland relativ gute Aussichten. So ergab die große europäische Mosaic-Studie, dass Frühchen hier zu Lande neben Großbritannien europaweit die besten Überlebenschancen haben.
(Quelle: www.pharmazeutische-zeitung.de)
Eineiige Zwillinge
Bei eineiigen Zwillingen gibt es - in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der "Trennung" - mehrere Entwicklungsmöglichkeiten, je nachdem, wie sich Mutterkuchen (Chorion) und Fruchthöhle (Amnion) zueinander verhalten:
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diamnial und dichorial
Die Zwillinge sind in getrennten Fruchtblasen und werden von zwei getrennten Mutterkuchen versorgt. |
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diamnial und monochorial
Die Zwillinge sind in getrennten Fruchtblasen, werden jedoch von einem gemeinsamen Mutterkuchen versorgt. |
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monoamnial und monochorial
Die Zwillinge sind in einer gemeinsame Fruchtblase und werden von einem gemeinsamen Mutterkuchen versorgt. |
(Quelle:
www.babynet.at)
Monozygote Gemini gehen aus einer befruchteten Eizelle hervor, sind also genetisch identisch. Sie können, je nach Zeitpunkt der Teilung der Eizelle, monochoriale oder dichoriale Eihautverhältnisse besitzen. Eine monochoriale-diamniale Plazentation liegt bei einem Drittel und ein dichoriale-diamniale Plazentation bei zwei Drittel der monozygoten Gemini vor [44]. Monochorial-monoamniale Gemini sind sehr selten und kommen nur bei 1-3% aller Zwillinge vor [12]. Unter den monozygoten Zwillingen haben die monochorial-diamnialen ein deutlich erhöhtes, die monochorial-monoamnialen Gemini jedoch das höchste Mortalitätsrisiko (27-50%), insbesondere bedingt durch die zwischen den beiden Feten bestehenden Gefäßanastomosen.
Plazenten von monochorialen Zwillingen weisen in 90% Gefäßanastomosen und eine dadurch resultierenden Kommunikation beider fetaler Kreisläufe auf. Am häufigsten sind arterio-arterielle Anastomosen, seltener veno-venöse Verbindungen. Am bedeutungsvollsten sind die arteriovenösen Verbindungen. Dabei wird ein Kotelydon von der Arterie des einen Zwillings perfundiert und von der Vene des anderen Zwillings drainiert. Im besten Fall besteht eine Balance zwischen arteriovenösen, arterioarteriellen und venovenösen Anastomosen. Das klinische Bild eines FFTS entsteht, wenn arterioarterielle und venovenöse Anastomosen das durch arteriovenösen Anastomosen transfundierte Blutvolumen nicht ausgleichen. Arteriovenöse Anastomosen der monochorialen Zwillinge werden als Ursache für die Entstehung des fetofetalen Transfusionssyndroms, das nur bei monochorialen Zwillingen auftritt, angesehen.
(Quelle:http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/burkhardt-tilo-2003-04-03/HTML/chapter4.html)
Tabellarische Übersicht:
Zwillingsformen:
• Monozygote (Eineiige) Zwillinge
(30%): frühe embryonale Teilung
in den ersten beiden Wochen nach
Konzeption. Unterformen:
- dichorial-diamnial (70%): 1-3
Tage n. Ovulation
- monochorial-diamnial (29%):
3-8 Tage n. Ovulation
- monochorial-monoamnial (1%):
8-10 Tage n. Ovulation
• Dizygote Zwillinge (70%): Befruch
tung zweier gleichzeitig ausgesto
ßener Oozyten
• Höhergradige Mehrlinge: Kombinationen
von monozygoten und
polyzygoten Mehrlingen
(Quelle: http://www.kreiskliniken-reutlingen.de/dokumente/upload/20110124_153719_6eb01_kinderklinik-journal072008.pdf )
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Gedränge im Uterus
Die Mehrlingsschwangerschaft ist ein Risiko.
Mehrlinge weisen eine erhöhte perinatale Morbidität und Mortalität durch Frühgeburtlichkeit und Wachstumsverzögerung auf. Durch erfolgreiche „reproduktionsmedizinische Maßnahmen“ werden wir immer häufiger mit Mehrlingsschwangerschaften konfrontiert.
Alle in der Betreuung von Mehrlingsschwangerschaften Involvierte sollten sich auch Gedanken darüber machen, welche soziale Folgen Mehrlinge haben können: Erhöhter Betreuungsbedarf nach der Geburt, hoher finanzieller Aufwand, ein vermehrter zeitlicher Aufwand, verminderte soziale Kontakte der Eltern aufgrund des Betreuungsaufwandes, verkürzte Schlafdauer und schließlich mögliche familiäre Konfliktsituationen wegen andauernder Überforderung.
Fallende Schwangerschaftsdauer
Die perinatale Mortalität ist durch die verbesserte Entdeckungsrate mittels Ultraschalltechnik gesunken. Im Vordergrund des Risikos stehen die hohen Frühgeburtenraten bei Mehrlingen. Das durchschnittliche Schwangerschaftsalter beläuft sich bei Zwillingen auf 35 Wochen, bei Drillingen auf 32 Wochen und bei Vierlingen auf 30 Wochen. Die Rate der Frühgeburtlichkeit beträgt 57 Prozent, gleichgeschlechtliche männliche Zwillinge weisen das höchste Frühgeburtsrisiko auf.
Mittels exakter Ultraschalldiagnostik in der Frühschwangerschaft gelingt es rechtzeitig, Hochrisikoschwangerschaften aus dem Risikokollektiv der Mehrlingsschwangerschaften herauszufiltern und einer besonders intensiven Betreuung zuzuführen. Ein besonders hohes Risiko weisen monochoriale Mehrlinge auf. Bei zwei Plazenten ist die Schwangerschaft dichorial, diamnial. Hier ist zur Bestimmung im ersten Trimenon ein keilförmiger Ausläufer des Chorions zwischen den Amnionmembranen hilfreich, das sogenannte Lambda-Zeichen. Mit zunehmendem Gestationsalter wird das Lambda-Zeichen weniger prominent und ist nach der 20. Woche kaum mehr sichtbar. Hier muss der erfahrene Ultraschaller nach den vier Schichten in der Trennwand (Chorion, Amnion, Amnion, Chorion) fahnden.
Der deutsche Bundestag hat sich im Jahr 2008 mit einem eigenen Unterausschuss mit der Mehrlingsschwangerschaft beschäftigt und 2005 folgendes Statement abgegeben: Da monochoriale Zwillinge ein erheblich höheres Risiko als die dichorialen Zwillinge aufweisen, wird dringend empfohlen, im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien eine Ultraschalluntersuchung in der neunten bis zwölften Woche durchzuführen, weil zu diesem Zeitpunkt die Chorionizität von Mehrlingen am besten bestimmt werden kann.
Laut Mutterschaftsrichtlinie von 2008 ist die Diagnose der Chorionizität im ersten Trimenon obligat, die alleinige Dokumentation einer Zwillingsgravidität ist nicht ausreichend. Die Kenntnis der Chorionizität ist wichtig, weil zusätzlich zu den Risiken einer Mehrlingsschwangerschaft die Möglichkeit besteht, dass bei monochorialen Plazenten die Gefäße Anastomosen aufweisen und somit die beiden Mehrlinge in direktem hämodynamischen Kontakt stehen. Ein eventuell so entstehendes feto-fetales Transfusionssyndrom erhöht das Risiko der Ausbildung eines Polyhydramnions, der Frühgeburt bzw. des Fruchttods eines oder beider Mehrlinge oder eines späteren neurologischen Handicaps.
Hohe Komplikationsrate
Zusätzlich zur Chorionizität ist exakt auf die Größe der beiden Mehrlinge zu achten.
In einer großen prospektiven Studie zeigte sich, dass bei einer Wachstumdiskrepanz der beiden Mehrlinge bereits im ersten Trimenon die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen bei 79 Prozent liegt und die Chance auf ein gesundes Kind auf 50 Prozent sinkt (Livan et al, American Journal 2008).
Bei der sonographischen Überwachung stehen daher im Vordergrund: Beurteilung des Fetenwachstums, die Menge des Fruchtwassers, Dopplerströmungsmessung und Zervixmessung, um eine drohende Frühgeburt rechtzeitig zu erkennen. Im ersten und im zweiten Trimenon wachsen Mehrlinge üblicherweise wie Feten bei Einlingsschwangerschaften, erst ab der 30. Woche kommt es zu einer merkbaren Verzögerung. Verantwortlich dafür könnte die Plazentareife bzw. die erhöhte Rate anomaler Nabelschnur-Insertionen sein. Die Häufigkeit von Mehrlingen, die von einer Wachstumsstörung betroffen sind, liegt bei etwa 60 Prozent. Eine monochoriale Plazenta ist ein signifikanter Risikofaktor für ein diskordantes Wachstum. Die Wachstumsretardierung ist nach der Frühgeburtlichkeit der zweite wichtige Risikofaktor für die hohe perinatale Morbidität und Mortalität bei Zwillingen.
Eine erhöhte Nackentransparenz bei einem Mehrling im ersten Trimenon bei monochorialen Zwillingen weist auf ein erhöhtes Risiko für ein Transfusionssydrom hin.
Bei einem unauffälligen First-Trimester-Screening sollte bei monochorialen Zwillingen alle zwei Wochen eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, zwischen der 18. und 22. Schwangerschaftswoche müsste allerdings wöchentlich kontrolliert werden. Dichoriale Zwillinge können nach der 20. Woche alle vier Wochen einer Ultraschalluntersuchung zugeführt werden. Hier sollten die Intervalle für die Verlaufsuntersuchungen dann risikoadaptiert festgelegt werden.
Prinzipiell kann sowohl eine Chorionzottenbiopsie als auch eine Amniozentese durchgeführt werden. Die Chorionzottenbiopsie kann technisch aber problematisch sein, sofern es sich um eine Hinterwand oder um eine fusionierte Plazenta handelt. Hier ist daher unbedingt die Expertise des Untersuchers nötig.
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Gedränge im Uterus
Die Mehrlingsschwangerschaft ist ein Risiko.
Mehrlinge weisen eine erhöhte perinatale Morbidität und Mortalität durch Frühgeburtlichkeit und Wachstumsverzögerung auf. Durch erfolgreiche „reproduktionsmedizinische Maßnahmen“ werden wir immer häufiger mit Mehrlingsschwangerschaften konfrontiert.
Alle in der Betreuung von Mehrlingsschwangerschaften Involvierte sollten sich auch Gedanken darüber machen, welche soziale Folgen Mehrlinge haben können: Erhöhter Betreuungsbedarf nach der Geburt, hoher finanzieller Aufwand, ein vermehrter zeitlicher Aufwand, verminderte soziale Kontakte der Eltern aufgrund des Betreuungsaufwandes, verkürzte Schlafdauer und schließlich mögliche familiäre Konfliktsituationen wegen andauernder Überforderung.
Fallende Schwangerschaftsdauer
Die perinatale Mortalität ist durch die verbesserte Entdeckungsrate mittels Ultraschalltechnik gesunken. Im Vordergrund des Risikos stehen die hohen Frühgeburtenraten bei Mehrlingen. Das durchschnittliche Schwangerschaftsalter beläuft sich bei Zwillingen auf 35 Wochen, bei Drillingen auf 32 Wochen und bei Vierlingen auf 30 Wochen. Die Rate der Frühgeburtlichkeit beträgt 57 Prozent, gleichgeschlechtliche männliche Zwillinge weisen das höchste Frühgeburtsrisiko auf.
Mittels exakter Ultraschalldiagnostik in der Frühschwangerschaft gelingt es rechtzeitig, Hochrisikoschwangerschaften aus dem Risikokollektiv der Mehrlingsschwangerschaften herauszufiltern und einer besonders intensiven Betreuung zuzuführen. Ein besonders hohes Risiko weisen monochoriale Mehrlinge auf. Bei zwei Plazenten ist die Schwangerschaft dichorial, diamnial. Hier ist zur Bestimmung im ersten Trimenon ein keilförmiger Ausläufer des Chorions zwischen den Amnionmembranen hilfreich, das sogenannte Lambda-Zeichen. Mit zunehmendem Gestationsalter wird das Lambda-Zeichen weniger prominent und ist nach der 20. Woche kaum mehr sichtbar. Hier muss der erfahrene Ultraschaller nach den vier Schichten in der Trennwand (Chorion, Amnion, Amnion, Chorion) fahnden.
Der deutsche Bundestag hat sich im Jahr 2008 mit einem eigenen Unterausschuss mit der Mehrlingsschwangerschaft beschäftigt und 2005 folgendes Statement abgegeben: Da monochoriale Zwillinge ein erheblich höheres Risiko als die dichorialen Zwillinge aufweisen, wird dringend empfohlen, im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien eine Ultraschalluntersuchung in der neunten bis zwölften Woche durchzuführen, weil zu diesem Zeitpunkt die Chorionizität von Mehrlingen am besten bestimmt werden kann.
Laut Mutterschaftsrichtlinie von 2008 ist die Diagnose der Chorionizität im ersten Trimenon obligat, die alleinige Dokumentation einer Zwillingsgravidität ist nicht ausreichend. Die Kenntnis der Chorionizität ist wichtig, weil zusätzlich zu den Risiken einer Mehrlingsschwangerschaft die Möglichkeit besteht, dass bei monochorialen Plazenten die Gefäße Anastomosen aufweisen und somit die beiden Mehrlinge in direktem hämodynamischen Kontakt stehen. Ein eventuell so entstehendes feto-fetales Transfusionssyndrom erhöht das Risiko der Ausbildung eines Polyhydramnions, der Frühgeburt bzw. des Fruchttods eines oder beider Mehrlinge oder eines späteren neurologischen Handicaps.
Hohe Komplikationsrate
Zusätzlich zur Chorionizität ist exakt auf die Größe der beiden Mehrlinge zu achten.
In einer großen prospektiven Studie zeigte sich, dass bei einer Wachstumdiskrepanz der beiden Mehrlinge bereits im ersten Trimenon die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen bei 79 Prozent liegt und die Chance auf ein gesundes Kind auf 50 Prozent sinkt (Livan et al, American Journal 2008).
Bei der sonographischen Überwachung stehen daher im Vordergrund: Beurteilung des Fetenwachstums, die Menge des Fruchtwassers, Dopplerströmungsmessung und Zervixmessung, um eine drohende Frühgeburt rechtzeitig zu erkennen. Im ersten und im zweiten Trimenon wachsen Mehrlinge üblicherweise wie Feten bei Einlingsschwangerschaften, erst ab der 30. Woche kommt es zu einer merkbaren Verzögerung. Verantwortlich dafür könnte die Plazentareife bzw. die erhöhte Rate anomaler Nabelschnur-Insertionen sein. Die Häufigkeit von Mehrlingen, die von einer Wachstumsstörung betroffen sind, liegt bei etwa 60 Prozent. Eine monochoriale Plazenta ist ein signifikanter Risikofaktor für ein diskordantes Wachstum. Die Wachstumsretardierung ist nach der Frühgeburtlichkeit der zweite wichtige Risikofaktor für die hohe perinatale Morbidität und Mortalität bei Zwillingen.
Eine erhöhte Nackentransparenz bei einem Mehrling im ersten Trimenon bei monochorialen Zwillingen weist auf ein erhöhtes Risiko für ein Transfusionssydrom hin.
Bei einem unauffälligen First-Trimester-Screening sollte bei monochorialen Zwillingen alle zwei Wochen eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, zwischen der 18. und 22. Schwangerschaftswoche müsste allerdings wöchentlich kontrolliert werden. Dichoriale Zwillinge können nach der 20. Woche alle vier Wochen einer Ultraschalluntersuchung zugeführt werden. Hier sollten die Intervalle für die Verlaufsuntersuchungen dann risikoadaptiert festgelegt werden.
Prinzipiell kann sowohl eine Chorionzottenbiopsie als auch eine Amniozentese durchgeführt werden. Die Chorionzottenbiopsie kann technisch aber problematisch sein, sofern es sich um eine Hinterwand oder um eine fusionierte Plazenta handelt. Hier ist daher unbedingt die Expertise des Untersuchers nötig.
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